KHK und Psyche: ein prekäres Wechselspiel

Wer unter koronarer Herzkrankheit leidet, hat ein erhöhtes Risiko für Depressionen und Ängste. Diese wiederum können sich als Stressfaktoren ungünstig auf die Herzgesundheit auswirken – ein potenzieller Teufelskreis.

Auf rund fünf Millionen schätzt die Deutsche Herzstiftung die Zahl der Bundesbürger, die von einer koronaren Herzkrankheit (KHK) betroffen sind. Viele von ihnen wissen noch nichts von ihrer Gefährdung, denn eine KHK kann lange Zeit beschwerdefrei verlaufen – sogar bis zum Worst Case, einem Herzinfarkt, den die Patienten völlig überraschend erleiden. Vor allem Frauen registrieren im Vorhinein oft keine oder unspezifischere Symptome.

„Ein Herzinfarkt ist immer ein potenziell traumatisierendes Ereignis. Umso mehr gilt das, wenn die Betroffenen sich herzgesund wähnten, weil sie keine Beschwerden hatten oder ihre Beschwerden falsch deuteten“, erklärt der Kardiologe und Internist Dr. Rüdiger Zorn von der KranoldPraxis in Berlin-Lichterfelde. „Für die Psyche kann jedoch bereits eine KHK-Diagnose eine enorme Belastung darstellen.“

Manche KHK-Patienten berichten etwa von einem gestörten Vertrauen in den eigenen Körper, von einem negativeren Selbstbild, nachdem sie sich zuvor gesund und stark gefühlt haben. Möglicherweise stehen auch Lebenspläne infrage. Hinzu kommt, dass in vielen Fällen mit bisherigen Gewohnheiten gebrochen werden muss, wenn die kardiovaskuläre Gefährdung reduziert werden soll – vom Rauchen über Alkoholkonsum bis hin zur herzschädlichen Ernährungsweise. Kulminieren kann dies alles in einer Depression oder in übermäßigen, lähmenden Ängsten.

Auf konkrete Patientenängste eingehen
„Aufgrund dieses Stresspotenzials kommt dem vertrauensvollen, ausführlichen Gespräch zwischen Medizinern und Patienten bei einer Diagnose wie KHK große Bedeutung zu“, betont Dr. Zorn. Es gelte, ein realistisches Bild der Situation und der Perspektiven zu vermitteln, auf konkrete Patientenängste einzugehen und auch die Gründe für Zuversicht nicht aus dem Fokus zu verlieren.

Wenn die seelische Last gelindert wird, kommt dies auch dem Herzen zugute. Denn psychischer Stress kann sich schädigend auf das Herz-Gefäß-System auswirken, unter anderem indem er den Puls und den Blutdruck hochtreibt. Depressionen erschweren zudem die Therapietreue und eventuell nötige Lebensstilveränderungen. So kann es zu einem Teufelskreis aus Herzerkrankung und psychischem Leiden kommen, der in der Kardiologie erst seit einigen Jahren in seiner Tragweite erkannt und adressiert wird. Eine ganzheitliche Herzmedizin ist mithin gut beraten, den gesamten Menschen in den Blick zu nehmen.

Neuer, geschärfter Blick auf Adipositas

Bisher wird Fettleibigkeit zumeist allein anhand des BMI definiert und nicht als eigenständige Krankheit anerkannt. Ein internationales Expertenkomitee möchte das ändern.

Rund fünf Millionen Todesfälle jährlich werden weltweit mit Adipositas (Fettleibigkeit) in Verbindung gebracht. Die Zahl dürfte deutlich steigen, denn immer mehr Menschen wiegen zu viel. Umso drängender stellt sich die Frage, wie die Medizinerschaft mit Adipositas umgehen sollte. Konkret: Handelt es sich dabei um eine behandlungsbedürftige, eigenständige Krankheit? Und ist jeder stark übergewichtige Mensch gleich gefährdet?

Die bisher gängigen Antworten darauf stellen viele Forscher und Praktiker nicht zufrieden. 58 von ihnen haben sich daher 2022 in einem Komitee zusammengeschlossen und zwei Jahre lang über eine Neudefinition und -einordnung von Adipositas beratschlagt. Die Erkenntnisse und Vorschläge der aus 50 Ländern stammenden Wissenschaftler wurden kürzlich im Fachblatt „The Lancet“ veröffentlicht.

Der BMI-Wert sagt nicht die ganze Wahrheit
Weitverbreitet ist die Diagnose per Body Mass Index (BMI): Adipös ist demnach, wer einen BMI-Wert von über 30 aufweist. „Dieser Wert ist zwar ein starker Indikator, jedoch lässt sich ihm nicht entnehmen, ob jemand krank ist bzw. ein stark erhöhtes Sterberisiko hat“, erklärt der Kardiologe und Internist Dr. Rüdiger Zorn von der Kranoldpraxis in Berlin-Lichterfelde (nicht am Komitee beteiligt). „Für eine Diagnose und gegebenenfalls eine Behandlungsplanung spielen einige weitere Faktoren eine wesentliche Rolle.“

Das sieht auch die internationale Expertenrunde so. Ihr zufolge birgt die Fokussierung auf den BMI die Gefahr einer Überdiagnose, da ein Wert über 30 nicht immer mit funktionellen Veränderungen von Organen und Gewebe einhergeht. Sie schlägt daher vor, zusätzlich Kriterien wie Körperfett, Taillenumfang und Taille-Hüfte- bzw. Taille-Körpergröße-Verhältnis heranzuziehen. Auch das reiche allerdings noch nicht, um zu entscheiden, ob medizinischer Behandlungsbedarf vorliegt.

Präklinische und klinische Adipositas
Die Frage, inwieweit Adipositas Krankheitswert hat, beantwortet das Expertenkomitee mit dem Vorschlag, zwischen präklinischer und klinischer Adipositas zu differenzieren. Letztere sollte demzufolge als Krankheit gelten, da sie schwere Schäden an Endorganen bewirken und zu einem verfrühten Tod führen kann. Zur Diagnose sollten bei Erwachsenen 18 und bei Kindern und Jugendlichen 13 Kriterien geprüft werden, die im Gesamtbild erkennen lassen, ob Organ- und Gewebefunktionen durch die Adipositas beeinträchtigt werden. Ein solcher geschärfter Blick ermögliche eine zielgenauere und effizientere Verwendung medizinischer Ressourcen.

Studie legt intensive Blutdrucksenkung bei Typ-2-Diabetikern nahe

In aktuellen Leitlinien wird Patienten mit Typ-2-Diabetes empfohlen, einen Blutdruck von unter 140 mmHg anzustreben. Chinesische Forscher haben nun jedoch belegt, dass das kardiovaskuläre Risiko bei einer Senkung auf 120 mmHg noch einmal deutlich geringer ausfällt.

Diabetes vom Typ 2 geht für die Betroffenen unter anderem mit einem erhöhten Risiko schwerer Herz-Kreislauf-Komplikationen einher, insbesondere drohen Herzinfarkt und Schlaganfall. „Maßgeblichen Einfluss auf dieses kardiovaskuläre Risiko hat der Blutdruck, der daher bei jeder Diabetestherapie mit im Fokus stehen muss“, erläutert der Kardiologe und Internist Dr. Rüdiger Zorn von der KranoldPraxis in Berlin-Lichterfelde.

In der aktuellen „Nationalen VersorgungsLeitlinie“ für Typ-2-Diabetes (herausgegeben von der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) wird ein Orientierungswert von 140/90 mmHG genannt, von dem gemäß „Verträglichkeit, funktionellem Status, Alter, Kognition und Komorbiditäten“ abgewichen werden kann. Eine chinesische Studie legt nun allerdings nahe, dass das generelle Blutdrucksenkungsziel zugunsten der Herzgesundheit ambitionierter sein sollte.

13.000 Typ-2-Diabetiker 5 Jahre lang beobachtet
Im Rahmen ihrer „Blood Pressure Control Target in Diabetes“-Untersuchung beobachteten die Schanghaier Forscher um Prof. Gung Ning fast 13.000 Patienten mit Typ-2-Diabetes fünf Jahre lang. Die Teilnehmer hatten das 50. Lebensjahr bereits hinter sich und waren im Durchschnitt 64 Jahre alt. Alle drei Monate wurde ihr Blutdruck gemessen; erfasst wurden außerdem Herzinfarkte, Schlaganfälle, behandelte Herzinsuffizienzen und kardiovaskulär bedingte Todesfälle.

Die Probanden wurden in zwei Gruppen gegliedert. Eine wurde nach den gängigen Leitlinien mit einem systolischen Zielblutdruckwert von 140 mmHg behandelt, ihr mittlerer Blutdruck betrug nach vier Jahren 132 mmHG. Bei der anderen wurde ein Zielwert von 120 mmHg angepeilt, der im Mittel auch nach vier Jahren vorherrschte.

Wie die anschließende Auswertung ergab, führte die intensive Blutdrucksenkung zu einer um 21 Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse als die Standardtherapie. Die Forscher empfehlen daher, in Leitlinien zukünftig einen Zielwert von 120 mmHg zu verankern. Im Blick behalten müsse man dabei aber das Risiko einer Hypotonie (zu geringer Blutdruck) und einer Hyperkaliämie (erhöhter Kaliumspiegel im Blut). Vergleichbare vorherige Studien kamen allerdings zu weniger eindeutigen Ergebnissen, wenngleich sie zuletzt ebenfalls einen Zielwert von weit unter 140 mmHg nahelegten. Die neuen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) berücksichtigen dies, indem sie einen systolischen Zielkorridor von 120 bis 129 mmHg festlegen.

„Verstecktes“ Herzinfarktrisiko in der zweiten Lebenshälfte

Eine dänische Studie mit rund 9.500 Probanden kommt zu einem alarmierenden Befund: Aufgrund verengter Herzkranzarterien hat etwa jeder zweite über 40-Jährige ein erhöhtes Herzinfarktrisiko. Bei jedem zehnten ist es sogar neunfach erhöht.

Eine Verengung der Herzkranzarterien infolge von Kalk- und Fettablagerungen an den Innenwänden kann lange Zeit symptomlos bleiben. Dennoch erhöht die reduzierte Sauerstoffversorgung des Herzens das Risiko eines Herzinfarkts – und zwar signifikant, wie eine aktuelle Studie unterstreicht.

Die 9.533 Teilnehmer der Copenhagen General Population Study waren zu Beginn des durchschnittlich dreieinhalbjährigen Beobachtungszeitraums über 40 Jahre alt und zeigten keinerlei kardiologische Auffälligkeiten, auch keine „Arterienverkalkung“. Sie alle wurden einer computertomografischen Angiografie (CTA) unterzogen, ein bildgebendes Röntgenverfahren, das eine genaue Betrachtung der Herzkranzgefäße ermöglicht.

Ausgewertet wurde zum einen der Grad vorliegender Verengungen; waren nur noch weniger als 50 Prozent des ursprünglichen Arterienvolumens vorhanden, wurde der betreffende Proband der Kategorie „obstruktiv“ zugeordnet. Zum anderen wurde der gesamte Herzkranz-Gefäßbaum in 15 Bereiche untergliedert und jeweils erfasst, wie viele davon von Verengungen betroffen waren. Ab fünf Bereichen wurde die Ausbreitung als „ausgedehnt“ eingestuft.

Besondere Gefahr bei obstruktiver, ausgedehnter Verengung
Wie sich offenbarte, war fast jeder zweite der symptomlosen Probanden von Verengungen der Herzkranzgefäße betroffen: 10 Prozent in obstruktivem Maße, weitere 36 Prozent mit einer Volumenreduzierung von unter 50 Prozent. Analog dazu wurden bei gut 10 Prozent ausgedehnte und bei 36 Prozent weniger verbreitete Verengungen diagnostiziert. Die Betroffenen hatten ein deutlich erhöhtes Herzinfarktrisiko. Bei jedem zehnten war es sogar neunfach höher als bei Personen, die keine Verengungen zeigten. Besonders groß ist die Gefahr demnach bei Menschen mit starken (obstruktiven) und zugleich ausgedehnten Verengungen.

„Die Studie unterstreicht erneut, wie wichtig kardiologische Prävention und Früherkennung – neben einem herzgesunden Lebenswandel – bereits in mittleren Lebensjahren sind“, ordnet der Kardiologe und Internist Dr. Rüdiger Zorn von der Kranoldpraxis in Berlin-Lichterfelde die Ergebnisse ein. Die Herausforderung liegt in puncto Verengungen indes darin, dass sich die genaue Diagnose nur mit aufwendigen und kostspieligen CTA-Untersuchungen treffen lässt. Ein Massenscreening beispielsweise aller über 40-jährigen Personen ist daher ausgeschlossen. Umso wichtiger ist die eigenverantwortliche Vorsorge jeder und jedes Einzelnen.

Warum Verkehrslärm das Leben verkürzen kann

Millionen gesunder Lebensjahre verlieren die Westeuropäer Jahr für Jahr durch Verkehrslärm. Besonders nächtliche Lärmbelastung triggert die Bildung freier Radikale, erhöht den Stresshormonspiegel und steht erholsamem Schlaf im Wege.

In der modernen Welt haben wir uns daran gewöhnt, von Verkehrslärm umgeben zu sein. Große Aufmerksamkeit erfahrt der „Tag gegen den Lärm“, der alljährlich im April für die potenziellen schädlichen Auswirkungen sensibilisieren soll, daher nicht. Dabei kostet das akustische Übel laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation allein in Westeuropa pro Jahr rund 1,6 Millionen gesunde Lebensjahre.

„Das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen wird durch Verkehrslärm – egal ob von Straßen-, Schienen- oder Luftfahrzeugen verursacht – deutlich erhöht“, warnt der Kardiologe und Internist Dr. Rüdiger Zorn von der Kranoldpraxis in Berlin-Lichterfelde. „Das gilt auch, wenn man sich subjektiv an die Belastung gewöhnt zu haben meint.“ Vor allem der nächtliche Verkehrslärm schlägt auf das Herz-Kreislauf-System, allein schon weil er den Erholungswert des Schlafes mindert. Der oxidative Stress und der Stresshormonspiegel steigen, es werden mehr freie Radikale gebildet. Dies alles begünstigt Bluthochdruck, Entzündlichkeit und vaskuläre Dysfunktion.

3,2 Prozent Risikozunahme pro 10 db(A)
Wie sich das in konkreten Zahlen auswirkt, hat nun eine Übersichtsstudie untersucht, die vom Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz zusammen mit dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH), dem Krebsinstitut Kopenhagen und der Perelman School of Medicine an der University of Pennsylvania (USA) erarbeitet wurde. Das Kernergebnis lautet: Pro 10 dB(A) Verkehrslautstärke nimmt das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Schlaganfall und Herzinfarkt um 3,2 Prozent zu. Zur Einordnung: Flüstern erzeugt einen Schall von etwa 30 dB(A), mittlerer Straßenverkehr rund 85 dB(A), Schwerlastverkehr kann sich 100 dB(A) nähern.

Das Autorenteam empfiehlt aufgrund seines Befundes, verstärkt in Lärmschutz zu investieren, etwa durch „leisere“ Straßenbeläge, mehr Lärmschutzwände und eine anwohnerschonendere Gestaltung des Luftverkehrs. Das koste zwar viel Geld – doch Schätzungen zufolge gingen auf Lärmbelastung höhere gesellschaftliche Kosten zurück als auf Rauchen und Alkoholkonsum.

Für den Einzelnen und die Einzelne bleiben einstweilen nur Behelfsmaßnahmen, vor allem zwei altbewährte: Fenster nicht auf Kipp lassen, sondern nur zum Stoßlüften öffnen, und Ohropax nutzen.

Tut Deutschland zu wenig gegen Herzerkrankungen?

Im westeuropäischen Vergleich ist die Lebenserwartung in Deutschland eher gering. Als einer der Hauptgründe gelten häufigere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die „Nationale Herz-Allianz“ will daher mit besserer Diagnostik, Vorsorge und Aufklärung für mehr Lebensjahre sorgen.

83,5 Jahre alt werden die heute in Deutschland geborenen Mädchen im Schnitt werden. Das ist zwar ein erfreulicher Anstieg von mehr als fünf Jahren seit 1990. Doch der Fortschritt relativiert sich, wenn man die Lebenserwartung in vergleichbaren Ländern betrachtet. So können die Spanierinnen mit 86,2 Lebensjahren rechnen, die Schweizerinnen und Französinnen mit 85,6. Bei den Männern das gleiche Bild: In Deutschland beträgt ihre prognostizierte Lebenserwartung 78,8 Jahre und damit ganze drei Jahre weniger als in der Schweiz. Damit rangieren die Deutschen auf den Plätzen 14 und 15 in einem Vergleich unter 16 westeuropäischen Staaten, den das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) und das Max-Planck-Institut für demografische Forschung angestellt haben – angesichts der enormen Gesundheitsausgaben und des generellen Wohlstands hierzulande ein wenig befriedigendes Ergebnis.

Den Autoren zufolge liegt der Hauptgrund in häufigeren Herz-Kreislauf-Erkrankungen. So seien deutsche Männer früher als die in anderen Ländern von kardiovaskulären Krankheiten betroffen, die schließlich zum Herztod führen. Dieser ist auch bei mehr über 65-jährigen Frauen in Deutschland die Todesursache als anderswo.

„Dass Deutschland bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich zurückliegt, ist Anlass zur Sorge, da diese heutzutage als weitgehend vermeidbar gelten“, kommentiert Studien-Co-Autor Pavel Grigoriev vom BiB. Auch der Berliner Kardiologe und Internist Dr. Rüdiger Zorn, der im Stadtteil Lichterfelde die Kranoldpraxis betreibt, sieht noch reichlich Präventionspotenzial: „Viele Menschen könnten mit einer Umstellung einiger Lebensgewohnheiten und gegebenenfalls mit frühzeitiger Behandlung zahlreiche zusätzliche Lebensjahre gewinnen, doch es fehlt oft am nötigen Wissen und Risikobewusstsein.“

Mehr Vorsorgeuntersuchungen gefordert
Eine von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) gestartete Initiative namens „Nationale Herz-Allianz“ setzt sich nun für eine systematisch verankerte bessere Diagnostik, Vorsorge und Aufklärung ein. Zu den Forderungen des „Masterplans“ gehören regelmäßige Herz-Vorsorgeuntersuchungen ab 50 Jahren und breitere Herzschwäche-Screenings. Auch zur Früherkennung der familiären Hypercholesterinämie schon im Kindesalter müsse mehr getan werden. Zudem entspreche die LDL-Cholesterin-Einstellung bei vier von fünf Atherosklerose-Patienten nicht den Zielwerten.

Für Notfälle sehen die Herzmediziner Deutschland ebenfalls nur suboptimal gewappnet. Die Bereitschaft, Wiederbelebungsmaßnahmen bei einer fremden Person durchzuführen, ist weniger ausgeprägt als in den meisten anderen europäischen Ländern. Und die Alarmierung eines jeweils in der Nähe befindlichen geschulten Ersthelfers per App funktioniert in der Praxis nur selten. Die Bundesbürger sind also in doppelter Hinsicht gefragt: Zum einen sollten sie schon an ihre Herzgesundheit denken und entsprechend handeln, bevor ernste Erkrankungen einsetzen; zum anderen tut jeder gut daran, sich mit Erste-Hilfe-Kenntnissen auf Notfälle vorzubereiten, in denen man zum Lebensretter werden könnte.

Gegen Herzinsuffizienz können Sie buchstäblich angehen!

Eine aktuelle Studie der Universität Michigan belegt einmal mehr die wohltuende Wirkung der Bewegung: Herzinsuffizienz-Patienten, die viel gehen, können ihre Symptome damit lindern und so Lebensqualität gewinnen.

Von einer chronischen Herzinsuffizienz spricht man, wenn die Leistung des Herzens nicht mehr ausreicht, um den Körper ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. In der ebenfalls gebräuchlichen deutschen Bezeichnung Herzschwäche kommt das plastisch zum Ausdruck. Die Zahl der Betroffenen wird in Deutschland auf drei bis vier Millionen geschätzt, jährlich rund 40.000 Todesfälle gehen auf das oft lange unerkannt bleibende Leiden zurück.

„Die Symptome einer chronischen Herzinsuffizienz – etwa abnehmende körperliche Leistungsfähigkeit, kalte oder geschwollene Extremitäten oder Kurzatmigkeit – werden von vielen Patientinnen und Patienten als unvermeidbare Alterserscheinungen wahrgenommen“, berichtet der Kardiologe und Internist Dr. Rüdiger Zorn von der Kranoldpraxis in Berlin-Lichterfelde. „Da die Erkrankung in aller Regel fortschreitet, sollte indes möglichst früh gegengesteuert werden, denn andernfalls drohen Organschädigungen und lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen.“

Zur Therapie stehen, je nach Auslöser der Herzschwäche, verschiedene Optionen offen, darunter Medikamente (beispielsweise zur Blutdrucksenkung) oder, in schwereren Fällen, Operationen (Bypass oder Schrittmacher). Das in jeder Hinsicht beste Gegenmittel heißt jedoch: Bewegung. In einer Vielzahl von Studien wurde ihre förderliche Wirkung bereits belegt, eine aktuelle steigert die Evidenz weiter.

Mehr Schritte = mehr Lebensqualität
Forscher der Universität Michigan statteten 425 Herzinsuffizienz-Patienten mit Fitnesstrackern aus, die drei Monate lang die täglich absolvierten Schritte festhielten. Manche Probanden steigerten in diesem Zeitraum die tägliche Distanz, andere änderten sie nicht, wieder andere reduzierten sie. Zu Beginn und zum Abschluss wurden Leistungsfähigkeit und Wohlergehen der Teilnehmer per Fragebogen („Kansas City Cardiomyopathy Questionnaires“, KCCQ) erhoben.

Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Wer die Zahl der täglichen Schritte erhöhte, erfreute sich eines signifikant besseren Allgemeinzustands und höherer Lebensqualität. Eine Reduzierung der gelaufenen Distanz führte zu einer Verschlimmerung der Symptome. Bei den Probanden mit gleichbleibender Schrittzahl zeigte sich die gleiche Korrelation: den aktiveren ging es durchschnittlich besser als den weniger aktiven.

Im Sinne der Herzgesundheit, aber auch der Allgemeingesundheit einschließlich der Psyche, sollte es also immer wieder heißen: hoch vom Sofa oder Sessel, Schuhe an und los!

Deutsche rauchen wieder mehr – Nikotinersatztherapie kann helfen

Insbesondere unter Jugendlichen steigt der Raucheranteil, während immer weniger Menschen versuchen, das Laster loszuwerden. Dabei hat man mit einer Nikotinersatztherapie gute Chancen. Ein kürzlich aktualisierter Cochrane-Review hat 68 Studien dazu ausgewertet und gibt Tipps für die Durchführung.

Die Schweden machen es vor: Die Raucherquote in dem skandinavischen Land dürfte bald unter fünf Prozent fallen, womit es als „rauchfrei“ gilt. Diesen Status sollen bis 2040 alle EU-Staaten erreichen. Deren größter ist indes auf keinem guten Weg dazu – vielmehr hat Deutschland den Rückwärtsgang eingelegt.

Auf rund ein Drittel ist die Raucherquote hierzulande laut Deutscher Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA) gestiegen. Zweieinhalb Jahre zuvor lag sie bei einem guten Viertel. Zu dieser besorgniserregenden Entwicklung tragen maßgeblich Jugendliche bei, deren Raucheranteil von 2021 bis 2022 von 9 auf 16 Prozent hochschnellte. Komplementär dazu haben die Bemühungen um eine Entwöhnung drastisch nachgelassen: Nur noch sechs Prozent der Raucher wollen aktuell damit aufhören, während es 2016 noch 34 Prozent waren.

„Das sind schlechte Nachrichten für die Gesundheit der Deutschen. Durch das Rauchen steigt das Risiko für verschiedene Krebserkrankungen deutlich, und auch das Herz-Gefäß-System nimmt schweren Schaden. So steigt das Herzinfarktrisiko um rund 65 Prozent an“, mahnt der Kardiologe und Internist Dr. Rüdiger Zorn von der Kranoldpraxis in Berlin-Lichterfelde. „Jeder Raucher und jede Raucherin sollte sich daher eine Rauchentwöhnung zum Ziel setzen. Dafür gibt es heutzutage eine Vielzahl bewährter Unterstützungsangebote, etwa eine Nikotinersatztherapie.“

Nikotinersatztherapie (NET) erhöht Erfolgswahrscheinlichkeit um 49 bis 61 Prozent
Dass diese Entwöhnungshilfe wirksam ist und wie man sie am besten anwendet, hat eine Übersichtsstudie bereits 2018 belegt. Dieser sogenannte Cochrane-Review kam auf der Grundlage von 68 Einzelstudien zu dem Schluss, dass eine NET die Aussichten, dass die Entwöhnung gelingt, um 49 bis 61 Prozent erhöht. Kürzlich wurde die Studie in einer aktualisierten Fassung vorgelegt. Zur NET-Durchführung führt sie vier Kernerkenntnisse an:

1. Für die Wirksamkeit der NET macht es keinen Unterschied, welche Darreichungsform (Kaugummi, Pflaster, Nasenspray, Lutschtablette …) gewählt wird.
2. Werden mehrere Darreichungsformen kombiniert, steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit um 17 bis 37 Prozent.
3. Bis zu einem gewissen Grad – abhängig von der vorliegenden Nikotinabhängigkeit – gilt: Viel hilft viel, es sollte also eher hoch dosiert werden. Im Zweifel empfiehlt es sich, ärztlichen Rat einzuholen.
4. Mit der NET sollte nicht erst am Tag nach der letzten Zigarette begonnen werden, sondern eher schon am Tag zuvor.

Spenderorgane bleiben knapp

In Deutschland warten fast 700 Menschen auf ein Spenderherz, doch für weniger als die Hälfte sind Organe verfügbar. Hierzulande kommen auf eine Million Einwohner nur zehn Organspender, viel weniger als in anderen europäischen Ländern.

Am vergangenen Wochenende (3. Juni) wurde der Tag der Organspende begangen. Große öffentliche Aufmerksamkeit erregt dieser Aktionstag nicht, wie auch das gesamte Thema Organspende in Deutschland nach wie vor ein Schattendasein fristet – mit dramatischen Folgen. So ist etwa ein Spenderherz für Menschen mit Herzschwäche im Endstadium meist die einzige Hoffnung auf ein Weiterleben. Nahezu 700 Patienten warten hierzulande aktuell auf dieses lebensrettende Organ, versorgt werden können aber nicht einmal halb so viele.

Es könnte viel mehr Spenderherzen geben, doch die Organspendebereitschaft der Deutschen ist chronisch gering. 2022 wurden insgesamt 869 Organe gespendet. Ihnen gegenüber stehen derzeit rund 8.500 Personen, die auf ein oder mehrere Spenderorgane warten.

Spanier sind mehr als viermal spendenfreundlicher
Mit einer Quote von circa zehn Organspendern pro eine Million Einwohner hat Deutschland in dieser humanitären Frage viel Luft nach oben. Vorbild sind die Spanier, die eine Quote von 46 vorweisen können. Auch die Österreicher sind mit 25 Organspendern pro Million Einwohner deutlich weiter.

Die politische Diskussion um eine Widerspruchslösung („Opt-out“), wie sie in anderen europäischen Ländern angewandt wird, schwelt infolgedessen weiter. Sie würde bedeuten, dass automatisch als potenzieller Organspender gilt, wer nicht aktiv widerspricht. Der letzte Anlauf dazu im Bundestag scheiterte 2020, doch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach strebt eine erneute Reforminitiative an.

Solange keine derartige strukturelle Veränderung erfolgt, wird die Notlage bei den Spenderorganen anhalten. Gefragt sind umso mehr Bürgersinn und Mitmenschlichkeit. „Jeder und jede sollte in sich gehen und prüfen, ob eine potenziell lebensrettende Organspende nach einem Hirntod infrage kommt“, ruft der Kardiologe und Internist Dr. Rüdiger Zorn auf, der in der Kranoldpraxis in Berlin-Lichterfeld praktiziert. „Und bei positivem Ergebnis sollte die Bereitschaft in einem Spenderausweis dokumentiert werden, damit schnell gehandelt und Leben gerettet werden kann.“

Covid-19-Impfung schützt das Herz nach Infektion

Eine Corona-Infektion zieht eine erhöhte Gefährdung durch schwere kardiovaskuläre Ereignisse und Langzeitfolgen für das Herz nach sich – bei Geimpften indes weniger stark, wie eine neue US-Studie zeigt.

Die Covid-19-Pandemie ist medial in den Hintergrund getreten, kostet aber nach wie vor mehrere Hundert Menschenleben pro Woche allein in Deutschland. Und nicht nur das: Auch nach einer überstandenen Infektion kann die Gesundheit dauerhaft beeinträchtigt sein. So stellt das diffuse Long-Covid-Syndrom mit Symptomen von chronischer Müdigkeit und Schlafstörungen über Konzentrationsprobleme bis hin zu Kurzatmigkeit die Wissenschaft vor Rätsel.

Ein klareres Bild kristallisiert sich derzeit im kardiologischen Bereich heraus. „Belegt ist bereits, dass es infolge einer Covid-19-Infektion – auch wenn sie einen milden Verlauf nimmt – im ersten Jahr deutlich häufiger zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und schweren kardiovaskulären Ereignissen wie Schlaganfällen und Herzinfarkten kommt“, erläutert der Kardiologe und Internist Dr. Rüdiger Zorn von der Kranoldpraxis in Berlin-Lichterfelde. „Vor einem Jahr etwa zeigte eine Studie anhand Daten von über 150.000 US-Army-Angehörigen, dass das Schlaganfallrisiko um rund 50 Prozent, das einer Perikarditis (Herzbeutelentzündung) um fast 100 Prozent und das einer Myokarditis (Herzmuskelentzündung) sogar um mehr als 500 Prozent steigt.“

Eine aktuelle Studie, diesmal auf noch breiterer Datenbasis, ergänzt den Befund nun mit einer Differenzierung zwischen geimpften und ungeimpften Covid-19-Genesenen.

Impfung reduziert statistisches Risiko um 41 Prozent
Die Forscher von der Icahn School of Medicine, die an der New Yorker Mount-Sinai-Klinik angesiedelt ist, werteten mehr als 1,9 Millionen Patientendatensätze aus. Diese bildeten den Zeitraum von 180 Tagen nach einer überstandenen Covid-19-Infektion ab. Vorerkrankungen des Herz-Gefäß-Systems wurden zunächst herausgerechnet und schließlich das Auftreten schwerer kardiovaskulärer Ereignisse bei geimpften und ungeimpften Personen verglichen. Wie die Wissenschaftler im „Journal of the American College of Cardiology“ berichten, fällt das kardiologische Risiko bei geimpften Personen um 41 Prozent geringer aus als bei ungeimpften. Auch eine Teilimpfung reduziert das Risiko mit 24 Prozent noch erheblich.

„Die Ergebnisse stimmen mit denen von Kim et al. überein, die Daten aus einem koreanischen Register analysiert und herausgefunden haben, dass eine vollständige Impfung mit einem verringerten Risiko für Herzinfarkt und ischämischen Schlaganfall nach Covid-19 assoziiert war“, schreiben die New Yorker Forscher. Ihre Studie liefert einen erneuten Beleg dafür, dass eine Covid-19-Impfung auch dann sinnvoll ist, wenn man nicht zu einer der Risikogruppen zählt.