Antibiotika-Verschreibungen in Deutschland rückläufig

Zwischen 2010 und 2018 ist der Verbrauch an systemischen Antibiotika kontinuierlich zurückgegangen. Experten begrüßen diese Entwicklung.

Hartnäckig hält sich der Mythos vom Antibiotikum als „Allzweckwaffe“, die auch bei kleinsten Infekten oder präventiv bedenkenlos zum Einsatz kommen kann. Viele Patienten fragen proaktiv nach einer Antibiotika-Verschreibung, und so mancher Mediziner widersetzt sich diesem Ansinnen ungern – auch wenn einiges für eine restriktive Verordnungspraxis spricht.

„Antibiotika sollten nicht nur wegen der möglichen direkten Nebenwirkungen zurückhaltend verordnet werden. Zu diesen zählen etwa Durchfall, Übelkeit, Bauchschmerzen, Scheidenpilz-Infektionen, aber auch allergische Reaktionen“, mahnt der in Berlin-Lichterfelde niedergelassene Internist Dr. Rüdiger Zorn. „Ein wachsendes Problem stellen zudem Antibiotika-Resistenzen dar. Je mehr Antibiotika verschrieben und eingenommen werden, desto größer die Gefahr, dass sich widerstandsfähige Bakterien herausbilden. Schon heute steht die Medizin Keimen gegenüber, die multiresistent sind, also auf kein Antibiotikum mehr ansprechen. Dabei ist der Einsatz oft unnötig.“

Rückgang um ein Fünftel
Eine gute Nachricht stellten vor diesem Hintergrund die Zahlen dar, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (ZI) kürzlich vorgelegt hat. Ihnen zufolge wurden 2018 von niedergelassenen Medizinern im Schnitt 446 Antibiotika-Verordnungen pro 1.000 Versicherte ausgestellt. Gegenüber 2010 markiert das einen Rückgang um etwa 21 Prozent, denn damals lag die Verordnungsquote noch bei 562/1.000. Regional gibt es einige Unterschiede, so wurden 2018 beispielsweise in Sachsen (317) besonders wenige und im Saarland (572) besonders viele Antibiotika-Verschreibungen verzeichnet.

Vorschulkinder im Alter von zwei bis fünf Jahren sind die Altersgruppe mit der höchsten Verschreibungsquote (683). Allerdings lag dieser Wert 2010 noch bei 1.213, ist also mit 44 Prozent besonders stark gefallen. Den verhältnismäßig höchsten Rückgang wiesen die Verschreibungszahlen mit knapp 50 Prozent bei den unter Einjährigen auf. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) begrüßte diese Entwicklung: „Antibiotika dürfen nie routinemäßig verwendet werden, sondern immer nur nach genauer Untersuchung und Abwägung aller therapeutischen Möglichkeiten“, betonte BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach in einer Reaktion auf die ZI-Ergebnisse.

Insbesondere bei akuten Atemwegsinfektionen ist eine Antibiotika-Einnahme meist nicht nur unnötig, sondern auch wirkungslos. Denn die Wirkstoffe bekämpfen nur Bakterien, nicht aber Viren. Auf diese gehen Erkältungskrankheiten indes in der Regel ebenso zurück wie Grippe oder Masern. Auf die neben- und folgewirkungsreichen Antibiotika kann und sollte daher nach Möglichkeit verzichtet werden.